Boavista (3 Spots)

Kurzinfo

Geeignet für: Windsurfer, Kitesurfer

Revier: Flachwasser, Welle

Windrichtung: beste keine Angabe, fahrbar keine Angabe

Reisebericht

Glücklich auf Boavista – ein Schwanengesang:

Wir waren vom 25.12.04 bis 07.01.05 auf der Insel mit der schönen Sicht. Es war ein wundervoller Urlaub, wobei das Surfen nur einen Teil der Faszination ausmachte. Trotzdem wird das wohl auf längere Sicht unser einziger Urlaub dort bleiben – es wird nämlich das nächste Mal kaum besser werden. Daher ist dies eine Art trauriger Abgesang auf das einstige Abenteuerrevier Boavista.

1. Wind

Der Wind war nicht überragend, aber gut, für mich als Leichtgewicht insbesondere. Mit meinen 68 kg ist es sowieso angenehmer, der Wind bleibt unterhalb der 20 – Knoten Marke. Als wir ankamen, war der Wind nach einer längeren durchwachsenen Phase gerade wieder in Schwung gekommen und blies fast jeden Tag mit Gleitwind. In der Zeit unseres Aufenthaltes kam der Wind sehr stark östlich, zwischen 29.12. und 03.01 hatten wir sehr viel Sand in der Luft, da kam der Wind fast genau aus Osten.

2. Reviere und Windzonen

Es gab auf Boavista während unseres Besuchs etwa 4 Windzonen. Direkt vor den Surf-Stationen kam der Wind voll bis leicht schräg ablandig von rechts, bei den extrem östlichen Tagen fast schon schräg ablandig von links. Richtung Norden war auf Höhe des Felsriffs eine 20 – 50 m breite Zone mit schwächerem und drehendem Wind verursacht durch das Hotel Estoril und die gerade entstehenden weiteren Hotels, weiter nach Norden hatte man eine Zone mit wieder kräftigerem, etwas auf Nord drehendem und immer etwas böigem Wind – je näher an der Stadt, desto böiger. Schliesslich im Wellenrevier Funana bzw. schon ausserhalb (westlich der Stadt) blies der Wind noch weiter nördlich.
Nach Süden hin drehte der Wind je näher man an Düne kam, auf nördlichere Richtung, es folgte eine böige Zone mit wechselnden Richtungen – verursacht durch Abdeckung der hohen Düne. Südlich der Düne kam der Wind verstärkt (ca. 2-3 Knoten stärker als vor der Station) und wieder etwas östlicher.

Je schwächer der Wind war, desto grösser und unkalkulierbarer waren die Flautenzonen. Unterm Strich heisst das, man braucht grössere Segel um gut unterwegs zu sein. Man kann ein grösseres Segel aber auch gut kontrollieren – auch stärkere Böen haben bei weitem nicht die Ruppigkeit wie so oft an deutschen Binnenseen, und weil es kaum Kabbelwelle gibt, ist das Board auch bei überpower noch leicht kontrollierbar. Ich hatte in den 2 Wochen einen einzigen Spin Out wegen überpower.

Stino

Das Revier Stino vermittelt Sicherheit, da man sich immer vor der Ilheu de Sal Rei bewegt und man permanent Sichtkontakt zur Surfstation hat. Wenn man innerhalb des Riffs bleibt, kann man auch noch stehen. Ich fand es als Surfrevier bei der vorherrschend östlichen Windrichtung aber nicht überzeugend. Es gab dort die meisten Flautenlöcher, und die stärksten Winddreher. Ärgerlich war die Verwirbelung direkt nördlich der Station. Sie schnitt das Stino fast in 2 Hälften. Sie wird vermutlich von den Neubauten links und rechts neben dem Hotel Estoril verursacht. In der Verlängerung nach Norden wird in Zukunft noch gewaltig gebaut werden – die Fundamente stehen schon – das wird die Sache sicherlich nicht besser machen. Weitere Störfaktoren waren im Norden das Felsriff, bei Ebbe im Süden die Untiefe, – man musste zu Beginn viel Höhe vernichten, um beidem aus dem Weg zu gehen, und anschliessend wieder aufkreuzen – sowie die von beiden Seiten der Inseln überkreuz hereinlaufende Dünungswellen und die dadurch auch stärkere Kabbelwelle. Wenn man sich weiter hinüber zur Insel bewegte, entging man zwar den Flautenlöchern, hatte dann aber nirgends mehr Boden unter den Füssen und musste auch mehrere Schläge zur Station zurückkreuzen. Ausserdem nahm natürlich die Kabbelwelle mit zunehmender Entfernung zum Strand zu.

Wenn man extrem kurze Schläge in Kauf nahm (ca. 300 m), konnte man sehr strandnah im Stehbereich zwischen Riff und Untiefe hin- und hersurfen und Manöver üben. Dazu musste der Wind allerdings schon etwas stärker blasen – mit einem 7er Segel macht das wenig Spass. Ausserdem durfte nicht gerade super niedriger Wasserstand herrschen: das Riff setzt sich unter Wasser einige Meter nach Süden fort und wird dann zu einem Finnen- und Fusskiller.

Ich habe gelesen, dass ab Ende Januar der Wind zunehmend aus Nordost kommt. Dann müssten alle diese Störfaktoren weniger stark ins Gewicht fallen. Man ist dann aber auch schnell aus dem Stehbereich herausgefahren.

Funana

Die Funana-Welle bricht erst ab ca. 2 m Höhe, darunter stellt sie sich bloss auf, salutiert kurz und zieht sich dann wieder flach. Je nach Höhe bricht sie von einer Stelle nach rechts weg oder beginnt an zwei Stellen zu brechen, die aufeinander zulaufen. Weil die Welle sehr sauber läuft, sich über eine grosse Breite ziemlich gleichmässig aufstellt und sehr steil wird, bevor sie bricht, wirkt sie recht gewaltig und respekteinflössend. (über eine 1,5 m hohe Ostseewelle bist Du schon drüber gesurft, bevor Du sie überhaupt richtig realisiert hat – hier siehst Du dieses unglaublich steile Teil ewig langsam auf Dich zurollen – genug Zeit um Schiss zu kriegen …)

Bei stark östlichem Passat – wie wir ihn hatten – ist es schwierig bis unmöglich zur Funana Welle zu kommen. Da die Welle nach Rechts (Lee bzw. Süden) wegbricht, sollte man in Lee an der Brecherzone vorbeifahren und sich von Lee her an den brechenden Teil rantasten und die Welle dann nach Lee abreiten. Das heisst, man hätte man von der Station aus fast 2 km nach Lee fahren müssen, um an der Brecherzone vorbeizukommen – das dann am Ende mit einem Waveboard wieder Höhe zu laufen ist keine sehr verlockende Aussicht – zumal man recht dicht an die vorgelagerte Insel ranfahren muss, die auch einen leichten Luvstau hat. Ich bin selbst an zwei Tagen von Luv her in die Nähe der Brecherzone gefahren, aber nie wirklich hineingekommen. Einmal bin ich bis zu der Stelle abgefallen, wo die Wellen zu brechen beginnen – leider kam gerade keine vernünftige Welle – und war für mein Gefühl schon jetzt viel zu dicht an der Insel – ich hätte beim Wellenabreiten nicht noch weiter leewärts auf die Insel zu fahren wollen. Mit anderen Worten, mich verliess mit meinem Können an dieser Stelle der Mut – ein Local war zur selben Zeit dort und hatte es voll unter Kontrolle und offenbar einen Haufen Spass.
Wenn ab Januar der Wind tatsächlich zunehmend aus Nordost kommt, dann dürfte auch Funana besser laufen.

Turtle Bay

Turtle Bay ist entweder gemässigtes Waverevier oder Speedrevier. Wir hatten leider nie das Glück, die legendäre unendliche Welle zu erleben – der Swell kam entsprechend der Windrichtung zu sehr östlich. Selbst an den schwächsten Tagen stellten sich zwar an der Spitze der Untiefe noch kniehohe und fantastisch sauber brechende Falten auf, aber auch an Tagen mit etwas höheren Wellen war es extrem schwierig, diese abzureiten, da genau an der Brecherzone der durch die Düne verwirbelte und böige Wind begann und man fast direkt in den Wind fahren musste um der Welle in ihrer Laufrichtung zu folgen. Beim Versuch eines Bottom Turn blieb meist das Brett stehen oder die Welle lief unter einem durch. Die Welle auf leichtem Amwindkurs schräg herunterzurutschen war an den meisten Tagen das höchste der Gefühle. Auch dies dürfte durch einen stärker auf Nord drehenden Passat wesentlich verbessert werden.

Aber selbst glattgebügelt ist die Turtle Bay etwas ungemein faszinierendes. Ich bin bestimmt schon oft genug über irgendwelche Starkwindglattwasserpisten gebolzt, aber so etwas geiles habe ich noch nie erlebt – auch ohne Wellenritte und Sprungrampen kann man hier grosse Glücksgefühle erleben.
Das Wasser ist so grün, grün! GRüN!!!! und leuchtet so unwirklich, dass man sich ständig vergewissern möchte, dass es tatsächlich Wasser ist, über das man gerade flitzt. Und zwar nicht nur die 10 m in Ufernähe oder bei einer bestimmten Sonneneinstrahlung. Die gesamte Bucht leuchtet den ganzen Tag über in dieser unfassbaren Farbe. Selbst 400 m vom Ufer entfernt ist es noch immer grün und unfassbar klar. Im Süden erheben sich bei guter Sicht die zwei höchsten Berge Boavistas – eine phantastische Kulisse, auch wenn man die Ähnlichkeit zu den Bergen Mordors im Film „Herr der Ringe“ nicht bemerkt.

Man heizt über chopfreies Leuchtgrün nach Süden, am einsamen schneeweissen Strand entlang, 5, 10 oder 20 m vom Ufer weg, je weiter weg vom Ufer, desto länger wird der Schlag zur nächsten Landberührung. Ab und zu siehst Du Wasserschildkröten gerade noch rechtzeitig nach unten abtauchen. Immer stärkere Böen beschleunigen das Brett in unerreichte Geschwindigkeitsbereiche – du willst immer mehr, weil das Brett keinerlei Zicken macht – und dann kommt ein runder Wellenrücken angelaufen und schiebt Dich noch einmal ein bisschen mehr an. Also rechtzeitig mit der Halse beginnen und nicht aus Versehen auf den Strand donnern!

Du kannst Dich mit Topspeed in die Kurve legen wie Du es Dir immer erträumt hast – kein Spin out, kein Verschneiden, Schlagen oder Springen des Boards – einfach nur ein hohes Zischen während es die Sichel schneidet. Auch ein paar hundert Meter vom Ufer entfernt ist die Windwelle noch weit unterhalb der Störungsschwelle. Durchgleiten ist dennoch nicht ganz so einfach, da man gegen die hereinlaufende Dünung halst und das frisst doch einiges an Energie auf.

Nicht zu vernachlässigen ist allerdings das Sicherheitsthema. Die Bucht schliesst sich weit im Süden wieder, so dass man auch auf tiefem Raumschotkurs noch auf Land zufährt. Aber dieses Ufer ist dann 3-4 Kilometer entfernt. Die Turtle Bay ist von der Surfstation aus auch nicht einsehbar und je nach Materialschaden kann der ablandige Wind dann schon zum Problem werden.

Langschlagsurfen

Ein weiterer reizvoller Aspekt des gesamten Reviers ist seine „geländige“ Qualität. An den meisten anderen Spots fährt man ja oft vom Ufer weg durch relativ gleichförmiges „Gelände“, macht nach die Halse und fährt retour auf den Strand zu. Hier kann man aufgrund der Windrichtung kilometerweit in eine Richtung surfen – vom hintersten Winkel der Turtle Bay mit einem Schlag zu Funana und noch drüber hinaus. Und alle paar hundert Meter ändern sich das Panorama und die Bedingungen. Den Reiz des Tourensurfens kann man hier in seiner Miniaturausgabe erleben.

3. Land und Leute

Als Boavista erstmals im Surfmagazin vorgestellt wurde (April 1996), hatte es noch das Flair des vom Tourismus Unberührten, des absoluten Abenteuerreviers. Ähnlich lasen sich einige Reiseberichte zwischen 1998 und 2000, die ich im Internet fand. Der Tenor dieser Reiseberichte war: Karge, sandige Insel mit schönen Stränden, aber sonst wenig zu tun und wenig Komfort.

Die Abenteuerzeiten, als man abends nirgends ein Restaurant bekommen konnte, sind vorbei. Es tut sich spürbar was am allgemeinen Angebot, aber die alten Zeiten und ihr Charme sind noch präsent. Nur leider wohl nicht mehr allzu lange. Es wird überall gebaut und wer in 5 Jahren kommt, wird eine völlig veränderte Insel vorfinden – diese Einschätzung wurde auch von den Einheimischen mit denen wir sprachen geteilt.

Die erste überraschung war, dass die Insel trotz unübersehbarer Trockenheit nicht so wüstenhaft war wie befürchtet. Schon vom Flugzeug aus mehr Grün als auf dem durchgehend braungelben Sal. Die Fahrt vom Flughafen zum Hauptort Sal Rei war von Palmen und kleinen Sträuchern gesäumt, man überquert sogar ein üppig bewachsenes Flussbett. Natürlich darf man sich jetzt keine karibische Prachtvielfalt vorstellen – es ist eher ein ungeheuer interessanter Mix aus dem Blau und Grün des Meeres, dem Weiss der Strände, dem Grün der Oasen und den Ocker- und Brauntönen der Berge und Felswüsten.

Es werden verschiedene Touren über die Insel angeboten, die diese Farbkompositionen auf unterschiedliche Weise erfahrbar machen. Wir machten eine Tour zur verlassenen Saline von Cural Velho, zu der das durch den Sand in der Luft diffus gebrochene Sonnenlicht die perfekte atmosphärische Untermalung lieferte. Das vom Fahrer und Führer unter Palmen zubereitete Strandmenü war das Tüpfelchen auf dem i.

Daneben gibt es die Möglichkeit zu Boote auf Meerestierbesichtigung, Fischfang oder Tauchgang zu gehen oder zu Fuss die näher gelegenen Sehenswürdigkeiten zu entdecken.

Wer sich über bizarre Landschaftsformationen und Farbkontraste freut und unter Kultur nicht ausschliesslich Museen und Prunkbauten versteht, wird in 2 oder 3 Wochen auf Boavista reichlich Abwechslung finden. Ich hatte jedenfalls das Gefühl, genug Interessantes für einen weiteren Besuch übrig gelassen zu haben.

Die Hauptstadt Sal Rei hat einen ganz eigenen Charme. Verblichene Grandezza alter Herrenhäuser, die permanente Improvisation kühn gemauerter unverputzter Anbauten, einfachste Einzimmerhäuschen mit Pastellfarben, dazwischen Rohbauten, Ruinen und Brachen und immer wieder ein herausgeputztes Ferien- oder Guesthouse eines ausländischen Investors – all dies findet man in selbstverständlichem Nebeneinander in einer einzigen Strasse und es vermittelt vor allem Ungezwungenheit und Authentizität. Der Tourismus bestimmt das Stadtbild noch nicht – nur wenige Häuser wirken bewusst „zurechtgemacht“, viele Strassen münden irgendwo als Sand- oder Dreckrutsche im Meer. Abfälle, Abwasser und Exkremente werden umstandslos ins oder ans Meer gekippt. In den ruhigeren Winkeln Hühner, Esel und Schweine und entsprechende Düfte. Der riesige Zentralplatz lädt zum Verweilen und Beobachten des geschäftigen, aber nicht lebhaften Treibens ein. Die Stimmung wirkt heiter bis wolkig – relaxed und freundlich, aber nicht überschäumend temperamentvoll. Viele Leute sind richtig arm, grosse Sprünge und Auschweifungen können sich die wenigsten leisten, aber dies scheint kein Grund zur Verzweiflung zu sein. Dann stellt man einen Grill vor die Bar und jeder wirft was drauf und nebenbei spielt man eine Runde Tischkicker. Die Wellenreiter- und ehemalige Hippieresidenz Tarhazout in Marokko hat ein ganz ähnliches Flair.

Das Angebot an Restaurants ist inzwischen so gross, dass man bei 2 Wochen Aufenthalt jeden Abend woanders essen gehen kann. Bei den meisten Restaurants muss man aber Plätze – bei vielen auch das gewünschte Gericht – einen Tag im Voraus bestellen. Das Essen ist recht einfach, aber gut und mit Rechnungen zwischen 20-35 € für 4 Leute inklusive Getränke auch bezahlbar. Die überaus schmackhaften und sehr üppigen Fischgerichte sind ein Erlebnis, da kann man nix falsch machen. Ein weiterer Tipp ist gebratenes Zicklein im Naida. Die übrigen Fleischgerichte variieren in ihrer Qualität. Standardbeilage zu allen Gerichten ist Reis mit Pommes Frites, mancherorts gibt es noch etwas Gemüse dazu. Salat- und Gemüsefanatiker werden auf Dauer nicht glücklich auf der Insel. Wer Glück hat und es mag, kann an manchen Abenden zum Essen Livemusik geniessen.

Das Angebot für den späteren Abend beschränkt sich auf einige wenige Bars. Remmidemmi darf man nicht erwarten, nach mehrstündigen körperlichen Aktivitäten an der frischen Luft und einem befriedigenden Mahl hat uns dort diesbezüglich aber nichts gefehlt.

Touristen gegenüber habe ich die Leute als freundlich und in angenehmer Weise reserviert empfunden. Wenn man den Blickkontakt erwidert, lächeln oder nicken sie einem schon mal zu oder wechseln zwei, drei Worte mit einem – es könnte sich durchaus mehr draus entwickeln, aber man hat nicht das Gefühl, (berechnend) belagert zu werden. Das schönste Erlebnis hatte ich am Neujahrsmorgen, als mir Leute ihre Kirche zeigten, im Kirchhof stundenlang Musik machten und mich auch ein bisschen mittrommeln liessen.

Leute, die sich einen direkten Vorteil von einem erhoffen, sind natürlich wesentlich offensiver, aber auch nicht in der Penetranz wie man dies in manchen arabischen Ländern vorfindet. Je nach Individuum sind diese Begegnungen mehr oder weniger herzlich.

Die Spezies, die Touristen nur als auszunehmende Weihnachtsgans betrachtet, gibt es natürlich auch – und man spürt den Neid und die Erwartungshaltung, dass der blöde reiche Touri ein paar Escudos springen lässt, andererseits aber auch abschätzige Blicke und abwertende Bemerkungen. In den zwei Wochen unseres Aufenthaltes wurde dreimal ins Hotel eingebrochen – auch das ist Realität.

Momentan scheint die Balance zwischen denen, deren Leben sich im Vergleich zu 1980 nicht gross verändert hat – die Fischer, die Marktfrauen, die Bauern, die Handwerker – und denen, die vom Tourismus profitieren, noch einigermassen gewahrt und es bleibt wohl auch für viele was vom Tourismusgeschäft übrig. Angesichts der regen Bautätigkeit stellt sich leider die Frage wie lange noch? Bereits jetzt sind die meisten Unterkünfte und die besser und nobler geführten Bars und Restaurants in europäischer – hauptsächlich italienischer – Hand. Bei den Bars gibt es bereits jetzt eine klare Trennung zwischen Touristen und Einheimischen, über kurz oder lang wird sich dies vermutlich auch bei den Restaurants einstellen – wenn die sehr einfachen einheimischen Lokale nicht sogar über kurz oder lang dicht machen müssen, weil sie in Bezug auf Angebot und Ambiente nicht mehr mithalten können.
Offenbar soll in den nächsten Jahren ein internationaler Flughafen gebaut werden, und die dann zu erwartenden Touristenmassen werfen bereits jetzt ihre Schatten voraus. Die neue Hotelzeile am Surfstrand habe ich schon erwähnt. Richtung Norden endet Sal Rei momentan noch auf dem Hügel am südlichen Ende der nächsten Bucht, an deren entgegengesetztem Ende, ca. 3 km entfernt, das Nobelhotel Marina Club kaum wahrnehmbar in den Felsen hängt. Diese Bucht wird in den nächsten Jahren flächendeckend von Süden her bis zur Mitte zugebaut werden – z.T. stehen bereits Rohbauten, z.T. sind Fundamente gelegt, z.T. erst sichtbare Strassenzüge erschlossen. Diese Häuser – so viel kann man schon sehen – sind mit denen im Ortskern im Hinblick auf Grösse, Stil und Ausstattung in keiner Weise mehr vergleichbar. über den Daumen gepeilt wird sich das Stadtgebiet am Ende der momentan bereits existierenden Bauvorhaben vervierfacht haben.

Im Prinzip passiert auf Boavista also momentan der klassische massentouristische Prozess, den man in jedem Erdkundebuch und jedem ethnogeographischen Film der letzten 30 Jahre beschrieben bekommt. Angesichts der starken Bautätigkeiten ausserhalb der momentanen Stadtgrenzen wird zusätzlich zur sozialen und kulturellen auch noch eine stärkere räumliche und emotionale Trennung zwischen Touristen und Einheimischen Einzug halten (Touristenghetto). Es werden in Zukunft sicher auch Touristen mit anderen Interessen und Bedürfnissen kommen. Und all dies wird mit Sicherheit auch die Grenze zwischen einheimischen Tourismusgewinnern und Tourismusverlierern stärker hervortreten lassen. Und der ablandige Wind wird natürlich dadurch auch nicht besser.

Schade.

Autor

Stephan Krüger

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