Mundaka

Kurzinfo

Geeignet für: Wellenreiter

Revier: Welle

Windrichtung: beste keine Angabe, fahrbar keine Angabe

Reisebericht

Mensch wann war denn das noch mal? Manches kommt mir vor, als wenn es letzte Woche gewesen wäre, aber wenn ich so überlege ist das doch schon viereinhalb Jahre her – na gut Ende April sind dann die Fünfe voll. Hört sich gar nicht nach viel an, in den Surferportraits surfen alle immer schon seit mindestens 8 Jahren. Drunter kann man sicher auch noch gar nicht so gut surfen. Mir kommt es aber schon so verdammt lange vor. Ich weiss schon gar nicht mehr wie das Leben war, bevor mich die Sehnsucht
gepackt hat. Diese Sehnsucht nach den Stokes und Wellen auf diesem gottverdammten wunderschönen Planeten.

Die Tour nach Mundaka war damals ziemlich spontan. Mein Trainer in der Kampfkunstschule, in der ich gerade begonnen hatte, machte mir die Sache mit seinen Erzählungen äusserst schmackhaft. Ich dachte mir schon länger, dass dieser Sport für einen angehenden Meeresbiologen, dessen Fernweh mehr die Liebe zum Meer, denn die Liebe zur Wissenschaft beflügelt, genau das Richtige für mich ist. Ich war angefixt und so wartete ich auf die Gelegenheit, mich endlich mal einzuklinken, wenn die
Jungs zum „Surfen“ fahren.

Dann, Ende April 1996 bekam ich die lapidare Frage, ob ich nicht Lust hätte, morgen für 4 Tage ins Baskenland zu fahren – Atlantikküste. Klar, ich bin sofort dabei, Vorlesungen fallen aus und dabei ist Samstag eh der erste Mai – rein in die Campingsaison. Morgen Abend um Zehn – Abstarten bei Ari.

Gepackt war schnell, da ich eh keinen Surfequipment hatte. Schlafsack und ein paar Klamotten, Sonnenbrille, eine handvoll Mags für den Warm Up – fertig. („Vergess Deine Badehose nicht!“) Der Neo sollte schon passen und mit dem Board „schau’n wir mal“, welches ich dann nehmen sollte. Auto, Einkauf, Wachs, eine Palette Red Bull für die Fahrt, für alles war gesorgt und so ging’s am nächsten Abend los Richtung Mundaka.

Wieso Mundaka? Da war doch dieser Bericht in der WAVE – europes longest left – darum eben. Wir wollten auf jeden Fall mal nen Surfcheck machen und wenn kein Swell oder der zu heftig ist, fahren wir wieder hoch nach Frankreich.

Ich hatte keine Ahnung was auf mich zukommen sollte. Mein Board sah ich zum erstenmal vor der Abfahrt. Aha, Town and Country, geiles 80s NeonpinkYingYang-Design. Das wird schon surfen können und ich obendrein. Ist bestimmt so easy wie skaten. Dachte ich mir.

Das zweite mal sah ich das Board, als ich es in Mundaka auf dem Parkplatz aus dem Boardbag auf dem Bürgersteig geknallt hab – doch da lagen 17 Stunden Fahrt zwischen.
Von Aachen nach Paris ging alles ganz flott. Paris hatten wir um zwei hinter uns, nach Umweg durch die halbe Stadt wegen gesperrter Peripherique. (Die ist auch immer zu, oder?) Dass wir dann in Versailles mal wieder die N10 nicht gefunden haben und der Verfahrer in Limoges brachte uns irgendwie aus dem Zeitplan, doch es lebe die Route National 10, und um Neun gab’s erstmal Mc Drive in Bordeux.

Meine theoretische Ausbildung zum Top Surfer kam gut voran. Paddeln sollte kein Problem sein, der Duckdive und die gefährlichen Strömungen hatte ich mir genau eingeprägt. Anpaddeln und Take off sollte mir am praktischen Beispiel näher erläutert werden.

Ich war heiss auf meine erste Welle, doch vor uns kroch weiterhin der Asphaltwurm. „Hier geht’s übrigens nach Lacanau, da rechts geht’s nach Hossegor. Fahren wir auf dem Rückweg mal vorbei!“ und vorbei an Biarritz, gab’s um Zwölf endlich die spanische Grenze. Gleich sind wir da.

Schön ist die Côte de Basque, besonders die Serpentinen. Ich kam mir vor wie in Schottland, Nebel waberte von den satten, grünen Bergen und endlich waren wir um Drei in Mundaka. Der Hafen war schnell gefunden, auch die Kapelle zu deren Füssen der Einstieg sein sollte. Alles da. Auch die Locals, die sich sicher gerade überlegten, wie sie unserem Kram am besten aufteilen sollten, wenn wir unseren völlig überladenen Golf 1 hier alleine stehen lassen. Scheiss drauf, rein da.
Es waren ein paar Leute auf dem Wasser und weiter hinten gab’s auch Weisswasser. Mundaka lief – europes longest left. Vor Aufregung zitterte ich am ganzen Leib, den ich leider nach der langen Fahrt nicht mehr spürte und meine steifen Glieder wollten nur wiederwillig in den Neoprenanzug schlüpfen. Ich wusste noch nicht mal, ob mir die Gummihaut passte, nur dass es ein Loch am Arsch gibt. Aber das sollte um diese Jahreszeit eigentlich kein Problem sein. War es im Endeffekt auch nicht, war aber trotzdem arschkalt.

Aha, so sieht also ein Surfboard aus der Nähe aus! Nein, darf man nicht irgendwo gegen hauen und bitte ganz vorsichtig ablegen. Bong! Nix Passiert. Hier kommen also die Füsse hin, schnell noch das Board gewachst und das Seil kommt an das Bein, das beim Skaten hinten steht. Also rein ins Vergnügen und die Felsen runtergestolpert um von der Klippe in die Fluten zu hüpfen.

Dann ging alles ziemlich schnell. Bevor ich geschnallt hatte was los ist, war ich schon mitten in der Strömung und konnte nur zusehen wie die Hafeneinfahrt, die Ari mir als rettenden Notausstieg ans Herz gelegt hatte, an mir vorbeiglitt. Verdammt, die „Strong Currents“ vor denen der Stormrider gewarnt hat ! War das hier nicht der Channel, und was hab ich eben zu Strömung gelernt? Nicht dagegen, sondern zur Seite paddeln. Und da ich keine Lust auf die Felsen hatte strampelte ich mich zur Mitte der Flussmündung um dort erschöpft vor mich hin zu dümpeln. Ari war bald aufgeschlossen, und beglückwünschte mich, dass ich direkt hinter dem Line Up gelandet
war. Ich fühlte mich eher wie ein Baby im Frühschwimmerkurs, dass von seinem Vater mal ordentlich untergetaucht wurde. Na klar kann das Baby tauchen, das geht wegen den Reflexen – nicht wie bei kleinen Katzen, hehe.

Ich war also da wo ich hinwollte und eigentlich war auch das Meer gnädig mit mir. Kühl aber ruhig, die perfekte Braut und ich fühlte mich wohl in Ihrem Schoss. Es wackelte zwar gewaltig, doch schon bald konnte ich halbwegs paddeln und auf dem Brett sitzen. Natürlich bin ich ständig umgekippt, aber cool war’s schon. Und jetzt surfen! Die Sets kamen in imposanten Linien hereingerollt. Berge aus Wassermassen schoben sich unter mir durch und hoben mich hoch in den Himmel und derselbe
verdunkelte sich im Wellental. Weisst Du was Froschperspektive ist? Mir kamen die Wellen gewaltig hoch vor, es waren vielleicht nur 2 Meter. Aber wie riesig ein Bulli sein kann, weiss auch nur, wer schon mal davor gelegen hat.

Weiter vorne sollte Mundaka, in riesigen Tubes, den Atlantik dem Fluss Gernika entgegenwerfen. Doch ausser einem Longboarder, der schon weit draussen die ungebrochenen Wellen nahm und einer handvoll ratloser Touri-Shortboardern wie wir, hatte sich die Arena ziemlich geleert. Irgendwie war tote Hose! Die Flut stand nun zu hoch, es lief gar nichts mehr. Vorne am Rande des Channels, dort wo wir vorhin eingestiegen waren, wälzte sich noch mühsam eine kleine Schaumwalze gegen den Fluss . Hier herrschte eine sehr unruhige Strömung und wenn man in den Hauptstrom geriet, bekam man eine Freifahrtschein Richtung Hochsee – gefährlich nah an den Felsen vorbei. Nichtsdestotrotz konnte man doch einiges auf dem Bauch abreiten und wenn ich heute daran zurückdenke, hab ich, glaub ich, auch mal gestanden. Doch das kann ich auch mit irgendwann später verwechseln.

Alles in allem war meine erster Surf also ein Flop, aber der Beginn einer grossen Leidenschaft. Eigentlich kann ich von Glück reden, dass alles so harmlos verlief, denn normalerweise ist mit Mundaka nicht zu spassen. Weder musste ich von der Küstenwache aus dem grossen Teich gefischt werden, was bei der Strömung dort wohl nicht selten ist und Jahre später einem Freund mit Boogieboard an eben jenem Spot passiert ist. Arndt hatte damals nicht nur in den Neo gestrullt… Noch wurde ich zur Zielscheibe brutaler Locals, von denen am nächsten Tag einer meinen Freund Ari auf die Nose gespiesst hatte.

Es war einfach nur aufregend, neu, ein wenig gefährlich und reinigend wie eine Meditation. Das Feeling, eins zu sein mit dem Element, es zu fühlen, damit zu spielen und ebenso Spielball zu sein, hab ich nie vergessen. Seitdem zieht es mich immer wieder in die Fluten. Dieses Gefühl, eins zu sein mit dem Ozean, inspiriert mich täglich. Diese Sehnsucht nach einer fernen Geliebten, die man nur unter glücklichen Umständen an den Gestaden dieses Planeten treffen kann, prägt heute mein Leben mehr als alles andere. Aloha Spirit hat mich erleuchtet.

Autor

Boris Braun (kimasurf.de)

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