Caños de Meca Kitebeach

Kurzinfo

Geeignet für: Kitesurfer, Wellenreiter

Revier: Welle

Windrichtung: beste Levante, fahrbar keine Angabe

Caños de Meca liegt, von den starken Winden direkt in der Meerenge von Gibraltar weniger beeinflusst, etwa 50 km die Küste entlang in Richtung Cadiz. Bei der Anfahrt auf der N340 stellt man fest, wie langsam aber sicher die Erscheinungen des Tourismus hinter Tarifa gegen Kuhweiden eingetauscht werden. Fährt man hier nachts Auto, sieht man manchmal 20 Minuten lang kein Licht. Es gibt keine Gebäude, die Rinder schlafen auf der Weide. Unweigerlich stellt man sich hier vor, wie sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Es ist für den Deutschen eine ungewohnte Romantik, durch diese Einöde zu fahren, die Natur in ihrer gnadenlosen Blösse überwältigt den Betrachter, ich habe die Gegend liebgewonnen. Und es ist schön, den Surf- und Kiterrummel in Tarifa hinter sich zu lassen.

Caños selber ist ein absolut hängengebliebenes Nest, in einer Bucht umrahmt von Steilküste am rauhen Atlantik, im Nirgendwo Andalusiens. Die gesellschaftlichen und geographischen Eigenschaften des Dorfes scheinen eine besondere Attraktion auf Hippies und solche, die es werden wollen, zu haben, der Ort ist überlaufen davon. Die Strassen sind von Rastas gesäumt, die ihren selbstgebastelten Schmuck verkaufen, es gibt an jeder Strassenecke ausgezeichnetes Haschisch zu kaufen. Die Bars sind allesamt im Style und Flow der ungewaschenen Alternativbevölkerung aufgezogen, mal mehr, mal weniger kommerziell. Im August kommen Touristen aus Cadiz, im restlichen Jahr bleiben die paar hundert Wahlalternativen unter sich. Im Winter bläst hier der Levante manchmal 6 Wochen rund um die Uhr mit zehn Windstärken, ausreichend um das gesellschaftliche Leben völlig lahmzulegen. Man geht nicht mehr zur Arbeit sondern raucht sich nur noch einen, wie uns ein ansässiger Rasta berichtet. Ich konnte mir die Frage, welche Arbeit er denn meine, gerade noch verkneifen.

Nach Caños fährt man im Sommer bei Levante zum Kiten. Der Wind kommt hier auflandig und etwa 2 Beaufort schwächer als in Tarifa. Wenn dort der heisse Ostwind gnadenlos den Touristen die Haut mit Treibsand vom Leib pealt und die Autos auf den sandverwehten Strassen die Spur nicht mehr halten können, finden sich die wenigen, vielleicht 20 Kiter, die von Caños wissen, am Playa de Trafalgar ein. Der Strand liegt nördlich von Caños und hat wie der Ort selber eine verträumte Aura, die ihn für mich zu etwas ganz Besonderem gemacht hat. Eine Bucht von vielleicht 1 km Durchmesser, oder besser zwei Buchten, die Rücken an Rücken aneinanderliegen, eine 1 Kilometer lange, sandige Landenge, die mit dem Faro de Trafalgar, dem Leuchtturm von Trafalgar, abschliesst. Der Name kommt von der gleichnamigen Schlacht gegen die Engländer, die hier geschlagen wurde.

Nun, den Levante in Caños zu Kiten kann unvermessen als Schlacht bezeichnet werden, die Location wird ihrer Tradition gerecht werden. Es ist halb 2. Es geht noch absolut kein Wind, noch haben auch die Touristen am Strand unter ihren Sonnenschirmen keine Ahnung, was ihnen blüht. Aber wir wissen, dass das in einer Stunde anders sein wird. Im harten Kontrast zur verschlafenen Hippieszene, die kiffend das Schauspiel geniesst, werden ruhig und sehr gewissenhaft kleine Kites zwischen 8 und 12 qm aufgebaut und gut am Boden verankert. Die Bucht hat noch wenig Wasser, die Flut hat gerade erst eingesetzt, die Riffe sind noch gut sichtbar und die Gruppe prägt sich gut ein, wo die Felsen sind. Nicht wenige Kiter haben dort schon ein Paar Finnen hängen lassen.

Der Levante schiebt sich wie ein D-Zug, wie eine verärgerte Dampfwalze, die Küste aus Richtung Afrika entlang nach Caños. Und er hat einen Fahrplan, an den er sich halten wird. Das Meer ist spiegelglatt, die Sonnenbadenden fragen sich zur einen Hälfte, was das überhaupt für Gerät ist, die anderen, was man denn hier ohne Wind damit will. Um zwei. Die ersten Sonnenschirme fangen an zu wackeln. Wir stehen fertig im Neopren und Trapez zwischen den aufgeriggten Drachen und schauen auf das noch immer glatte Meer und mitleidig auf den Saum Sonnenanbeter vor uns am Wasser. In der Ferne sieht man die ersten Schaumkronen, wir wissen genau, dass sie die Vorboten für den Levante sind. Irgendwann sieht man, wie sich der Teppich aus aufgewühltem Wasser nähert. Zwei Uhr fünfzehn werden Sonnenschirme, die über den Strand fliegen, von ihren hektischen Besitzern eingefangen, vergrämte Badegäste packen ihre Sachen, der Wind hat etwa 5-6½ Windstärken erreicht und hackt böig auf den Strand und die Menschen ein. Die Drachen ducken sich unter der Windpeitsche im Sand. Die bleiern glänzende Haut des Meeres ist zerrissen und Schaumkronen krönen die Wellen, wie Blut, dass aus den Wunden des Meeres tritt unter der Prügel des Windes. Die ersten starten Schirme. Vorsichtig, immer mit einem zweiten Mann, um den Piloten festzuhalten, falls der Wind zu stark für den gewählten Schirm ist. Manche geben Zeichen und lassen den Kite sofort wieder landen. Der Wind ist tückisch, böig, aber genau das fordert heraus. Wir wollen ihn besiegen, Kiten ist hier bei Levante kein Vergnügen sondern Arbeit, und die will getan werden.

Andi bringt mich durch die verbliebenen Badegäste ins Wasser. Er hält mich am Griff meines Trapezes fest, alleine würden mich die Böen, die in den 11 qm grossen Naish R3 greifen, vielleicht zu Bremsmanövern quer durch die herumliegenden Leute zwingen. Ich konzentriere mich darauf, den wechselnd starken Zug an meiner Hüfte durch Depowern des Drachens auszugleichen. Am Wasser nehme ich den Drachen aus dem Zenit, Andi lässt meinen Rücken los und das Bord gleitet an. Die Bewegungen werden Routine, das Adrenalin steigt. Der Kite ist grenzwertig angepowert. Die Perspektive sind die Wellen vor mir. Ich merke, wie mein Geist sich von allem löst, meine ganze Aufmerksamkeit mit der Welle verschmilzt. Mein Körper vereint sich mit der agilen Oberfläche des Planeten, und verschwindet in den rhythmischen Bewegungen des Wellenabreitens. Der starke Zug des Drachens an meinem Becken gibt mir ein Gefühl von Macht. Halse, die in sekundenschnelle gefahrenen 200 Meter wieder zurück zum Strand, Höhe gewinnen, ich sehe aus dem Augenwinkel die Badegäste, einige sind aufgestanden, haben Kameras ausgepackt. Es sind jetzt 5 Kites in der kleinen Bucht. Alle sehr schnell. Ich lenke den Drachen gegen die Fahrtrichtung und der sanfte Zug am Trapez führt 6 Meter in die Höhe. Perspektivenwechsel. Der Schirm in Ruheposition senkrecht über mir, der Strand vorne unter mir. Ich achte darauf, die Landung vorzubereiten und geniesse die Momente der Schwerelosigkeit. Der starke Wind erlaubt die Hammerairs. Aufsetzen, das sichere Fahren auf dem Wasser lässt Zeit zum Ausruhen. Ich werde 5 Meter vor dem Strand umdrehen, ich weiss dass niemand direkt hinter mir fährt, und ich werde wieder springen. Eine Böe fasst den Schirm als ich bereits in der Luft bin und verlängert den Flug um einige Momente. Es vergehen 2 Stunden, die durch ihre immer wiederkehrenden gleichen Bewegungen zu 2 Minuten werden. Dann bläst der Levante so stark auf uns ein, dass wir vom Wasser müssen. Die Böen schwanken mehr und werden unberechenbar. Mit der Hand am QuickRelease arbeite ich mich durch die Badegäste und habe Angst, beim Ausbremsen einer Böe einen Touristen umzurennen. Der Drachen ist an Land gefährlich, er zieht den Piloten gnadenlos auf den Fersenkanten durch den Sand. Andreas landet mir den Drachen. Als ich den Chickenloop aus dem Trapez aushänge, nicht mehr mit dem Segel direkt verbunden bin, lässt die Anspannung nach. Das Wasser ist mittlerweile so aufgewühlt wie ein Whirlpool, es ist schön hier am Playa de Trafalgar. Die Leute, die noch staunen, weil sie noch nie einen Kiter gesehen haben und mit dem Finger auf uns zeigen, das verschlafene Dorf. Ich habe hier das Gefühl, beim Kiten dem Ort etwas zu geben.

Abends gegen 5 hat der Levante seine Wut ein wenig in den Griff bekommen und bläst weniger böig um die 5 Beaufort side onshore. Wir rippen eine weitere traumhafte 3-Stunden-Session, bis die Sonne fast die Düne hinterm Strand berührt, es war einer der schönsten Tage in meinen drei Wochen Tarifa dieses Jahr.

Kiten ist eine Sucht. Es ist Meditation und Flucht vor der Welt. Auf dem Wasser wird das ganze Universum zum Ritt auf den Wellen. Sein und Denken kleben am Moment und konzentrieren sich auf die motorischen Bewegungen des Fahrens, des Springens, auf die wabernde, bewegte, nie gleiche Oberfläche des Wassers, dessen Bezwinger man sein will.

Amen! Aber Caños, wir sehen uns wieder!

Autor

Mathias Gläser

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