Pichilemu (5 Spots)

Kurzinfo

Geeignet für: Windsurfer

Revier: keine Angabe

Windrichtung: beste keine Angabe, fahrbar keine Angabe

Reisebericht

Fast das ganze Jahr über hatten wir unserem neuen Projekt entgegengefiebert. Die herbstliche Kälte und die inzwischen viel zu kurzen Tage in Deutschland liessen keinen Zweifel daran aufkommen, dass wir hierzulande wohl keine Gelegenheit mehr zum Windsurfen haben würden. Ende Oktober war es dann endlich soweit: Abflug nach Chile, wo zu dieser Zeit gerade der schönste Frühling herrschte. Das über 4.000 km lange und an seiner schmalsten Stelle nur 90 km breite Land am „Ende der Welt“ wartet mit einer Fülle landschaftlicher Reize und natürlich mit endlosen Stränden auf.

16 Stunden etwa dauert es, bis man nach einer kurzen Zwischenlandung in São Paulo, Brasilien auf dem modernen und übersichtlichen Flughafen von Santiago de Chile einschwebt. Als Fluggesellschaften bieten sich u.a. LAN Chile und Lufthansa an. Zu dem Thema hat ein Freund von mir mal eine Zusammenstellung von „Surfer Friendliness Factors“ gefunden. Dort kam LAN Chile zwar nur mit „unfriendly“ davon, aber ich hätte sie aufgrund anderweitiger Empfehlungen schon einmal gerne ausprobiert. Nachdem die chilenische Airline mir jedoch telefonisch mitteilte, sie könne nicht garantieren, dass mein Board mit demselben Flieger ankommt wie ich („am besten einen Tag vorher absenden…“) und der Spass dann auch noch über 500 US$ (pro Strecke!) kosten sollte, bin ich lieber wieder auf den „freundlichen“ Kranich zurückgekommen.

Entsprechend der von mehreren Seiten geäusserten Empfehlungen mieteten wir uns ein 4-Wheel-Drive und machten uns gut bepackt auf den Weg durch das Valle Central in Richtung Süden. Es schadet zwar nie, auf einem Surftrip in einsame Gegenden ein geländegängiges Fahrzeug zu haben, aber unserer Erfahrung nach wären sämtliche interessanten Spots auch gut ohne Allradantrieb zu erreichen. Dies nur als kleiner zusätzlicher Tipp, da die Mietpreise der Car Rentals durch die Bank exorbitant hoch sind. Die preiswerteste und durchaus nicht schlechteste Variante wäre die Fahrt mit einem der zahllosen Reisebusse, die auch in komfortabler Ausstattung bis in die entlegensten Winkel des Landes fahren. Und das Gepäck? Nach Aussagen Einheimischer würden Chilenen bisweilen sogar ihre Möbel beim Umzug mit diesen Bussen transportieren. Jeder nach seinem Geschmack! Auf jeden Fall bräuchte man sich dann nicht so mit der – wie wir fanden – bescheuerten Strassenbeschilderung herumzuschlagen. Wir waren froh, uns aus der Grossstadt herausgewuselt zu haben und endlich auf der „Ruta 5“ dem landschaftlich reizvolleren Teil dieser VI. Region („Region Bernardo O’Higgins“) entgegenzusteuern.

Zunächst ging es Richtung Pichilemu, das rund 270 km von Santiago de Chile entfernt liegt. Der wohl bekannteste Ort in Sachen Surfing ist zugleich eine gute Basisstation, um sich umgeben von im Neopren herumfeckelnden Wellenreitern gleich ein bischen in Stimmung versetzen zu lassen. Man kann den im Wesentlichen aus 2 „Geschäftsstrassen“ bestehenden Ort hässlich finden oder man kann ihn mögen. Die in die Bucht einlaufende, von links brechende und vor allem endlose Welle muss man einfach lieben. Bis die Sonne untergeht, plantschen die Jungs ohne Segel im kühlen Nass und versuchen, noch die eine oder andere Welle zu erheischen. Als Windsurfer muss man in der Tat etwas Geduld mitbringen, bis der Wind in Pichilemu stimmt. Bei schwachem Wind und sogar aus der Entfernung riesig anmutenden Wellenbergen sind wir gleich weiter nach Süden gefahren und konnten letzlich leider nur einmal zu einem späteren Zeitpunkt in Pichilemu auf’s Wasser.

Völlig anders die Situation in dem bereits zur VII. Region („Region Maule“) gehörenden Fischerörtchen Llico. Hier drehte der Wind mit zunehmender See-Land-Thermik nachmittags mitunter erst richtig auf. Bereits am 2. Surftag waren wir mit dem 3,7-er bei geradezu apokalyptischen Bedingungen unterwegs. Die Brandung mag in Ufernähe gar nicht so hoch wirken, aber die zuweilen endlose Kette relativ schnell hintereinander brechender Kämme besorgt einem so manche Spülung. Dabei machte sich ein Kleidungsstück besonders bezahlt: Das Wasser ist wirklich so schweinekalt, dass man sich glücklich schätzen kann, einen guten Neoprenanzug anzuhaben! Die Seelöwen fühlen sich hier so richtig wohl. Beim ‚Rausfahren sind einem gleich eine ganze Reihe guter Sprungrampen gewiss. Wer dies nicht so schätzt, den wird vielleicht die Performance der äusseren Sandbank beeindrucken. Wie wir mit der Zeit festgestellt haben, sind auch in Llico die Bedingungen nicht über mehrere Tage hinweg konstant und vor allem auch bei scheinbar gleicher Wetterlage kaum vorhersagbar. Da knallt an einem Tag die Sonne und der eisige Wind frischt wie erhofft auf und an einem anderen zunächst genauso sonnigen Mittag stehst Du innerhalb von 10 Minuten im Küstennebel. Fahre dann, wie wir, lieber einige Autominuten Richtung Landesinnere und die Sonne ist auf Deiner Seite!

Wer nach Chile reist, um die ganze Zeit nur am Strand ‚rumzuhängen, ist selber schuld. Das Land überrascht auf jeder Tour mit immer neuen Facetten seiner Natur. Obgleich wir lediglich 2 Regionen dieses ca. 4.300 km langen und nur rund 140 km „schmalen“ Staates besucht haben, fanden wir eine äusserst abwechslungsreiche Landschaft vor. Gerade im Frühling wartet Zentralchile mit einladend üppiger Vegetation auf: Sattes Grün auf sanft ansteigenden Hügeln steht in farblichem Kontrast zu strahlend gelben Wiesenblumen, die weitläufige Hänge bedecken. Wenn der Blick auf einsame Seenplatten bei guter Fernsicht im Hintergrund die Gipfel der schneebedeckten Andenkette erkennen lässt, bist Du einfach baff. Gut…, natürlich sind wir zum Windsurfen hergekommen (und Du bist deswegen „hierhergesurft“).

Weiter in Richtung Süden besuchten wir als nächstes La Serena, das sich an den Küstenort Curanipe anschliesst. Neben der Route über die gebührenpflichtige Panamericana (Ruta 5) via Curico und Talca besteht seit einiger Zeit die Möglichkeit, eine viel kürzere und schönere Strecke an der Küste zu fahren. Die neue Brücke über die Meerenge südlich von Putu war auf unserer Karte noch nicht eingezeichnet. La Serena lockt mit einem schönen Pointbreak. Sandstrand wie an fast allen Spots inklusive. Weniger schön ist, dass dieser Küstenabschnitt sorgfältig mit Stacheldraht eingezäunt ist. Als wir ankamen, kletterten gerade 2 Gäste eines Privathauses mit ihrem Stuff über diverse Zäune. Wenn der örtliche Campingplatz geöffnet hat, sieht es dahingehend etwas freundlicher aus. Wir sind eben auch geklettert. Da kriegt man schon ein bischen Zorn, wenn man die Einsamkeit und Weite des Landes schätzen gelernt hat und die Neurose von Grundstückseigentümern dazu geführt hat, dass man ständig vor verschlossenen Gattern steht und jeder noch so winzige Waldweg von Zäunen gerahmt ist. Da gibt’s nur eines: nächstes mal Bolzenschneider mitbringen! 😉 Die „Zaungeschichte“ ist allerdings auch das Einzige, was es an der Chile-Reise zu meckern gab!

Nördlich von Pichilemu winken die Spots Matanzas und La Boca (dt. „die Mündung“) an der der Rio Rapel ins Meer fliesst. Eintritt über den Schlüsselmeister/Torwächter Bernardo im Ort. Am Wochenende bei genügend Andrang durch Chilenos ist das Tor evtl. auch gleich geöffnet. Ein weiteres Highlight ist natürlich Punta Topocalma. Das besondere an dem Spot ist neben dem landschaftlichen Reiz der sagenhaft gute Swell. Die Welle läuft und läuft mit einer Perfektion, die ihresgleichen sucht. Sie bricht – wie an den anderen erwähnten Spots auch – sauber von links. Wehrmutstropfen: Der Wind ist in der Abdeckung eines unübersehbaren Felsens leider recht böig und nicht einfach zu segeln. Zusätzlicher Haken: Der Spot liegt auf einer Hacienda, die sich in Firmenbesitz befindet; man benötigt eine Erlaubnis, bevor man das riesige Areal betreten darf. Vor dem riesigen Tor (oh Mann, das ist wirklich so ähnlich wie an dem Tor, an dem kein Mensch so bald stehen möchte…) klingelst Du und eine Stimme fragt Dich (in dem ortsüblichen, halb verschluckten Spanisch), was Du willst. Aber das weisst Du ja genau. Ich habe es auf Spanisch probiert, andere lieber auf Englisch. Die Entscheidung darüber überlasse ich Deinem Feingefühl. Wenn Dir das zu vage ist, findest Du auf meiner Website neben anderen Tipps und Trips weitere Hinweise, wie Du zu Deiner offiziellen Erlaubnis kommst.

In dem schönen südamerikanischen Land kommt zum optischen Genuss der gute chilenische Wein. Probiert unbedingt auch das Nationalgetränk Pisco Sour! Fisch und Mariscos sind gut, Fleischgerichte nicht gerade eine der Stärken chilenischer Küche. Ach ja, und dann wäre da noch dieser geniale Sender: „Noventaitres punto uno (93.1 MHz)… Entre Olas… Radio Pichilemu… spielt Euch nachmittags und abends einen Smash-Hit nach dem anderen. Eines muss Euch aber von vornherein klar sein: Chile ist nichts für Warmduscher!

Autor

Michael Schulte (www.surfingdave.de)

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